Unter dem Titel „Vorsicht bei Loperamid –bei Reisedurchfall pflanzliche Mittel“ veröffentlichte dpa / N24 vor kurzen eine interessante Meldung. Darin wird bei Reisedurchfall zu pflanzlichen Mitteln geraten und Loperamid (Imodium) kritisch kommentiert:

„Viele Urlauber versuchen Reisedurchfall mit dem Wirkstoff Loperamid zu bekämpfen. Der lindert die Symptome ändert aber nichts an den Ursachen. Experten empfehlen pflanzliche Mittel.“

Viele Touristen packen in ihre Reiseapotheke Durchfallmittel mit dem Wirkstoff Loperamid ein. Tomas Jelinek vom Centrum für Reisemedizin findet es jedoch “keine gute Idee”, einen Reisedurchfall mit Loperamid zu bekämpfen. Entsprechende Medikamente seien zwar “potente Durchfallstopper”, weil sie als Opium-Derivate die Darmmuskulatur lähmen. “Oft ist Durchfall aber eine Abwehrreaktion des Körpers, um Keime loszuwerden”, sagte Jelinek dem dpa-Themendienst.

Werde der Darm jedoch mit Loperamid “verstopft”, könnten sich die schädlichen Krankheitserreger dort weiter vermehren. Loperamid bekämpfe also nur die Symptome, nicht jedoch die Ursache. Bei Kindern bestehe zudem das Risiko, dass sie einen Darmverschluss erleiden. Im Originaltext heisst es weiter:

„Als ‚Mittel der ersten Wahl’ empfahl der Reisemediziner pflanzliche Medikamente mit den Wirkstoffen Tannin und Ethacridin. Tannin wird aus den Galläpfeln der Aleppo-Eiche gewonnen. Es lege einen Schutzfilm über die Schleimhaut des Darms und bremse so die Vermehrung schädlicher Keime. Ein solches Mittel sei zwar nicht so wirkungsvoll wie Loperamid, aber auch nicht so gefährlich, erklärte Jelinek: “Es stopft, aber lähmt den Darm nicht.”

Quelle:

dpa, N24

http://www.n24.de/news/newsitem_6475720.html

26.11.2010 16:11 Uhr

Kommentar & Ergänzung: Gegen Reisedurchfall Heilpflanzen-Präparate

Es ist das erste Mal, dass ich von einem Reisemediziner die Empfehlung höre, pflanzliche Mittel statt Loperamid gegen Reisedurchfall einzusetzen. Natürlich stimmt es, dass Medikamente wie Imodium die Darmpassagezeit verlängern. Dadurch bleiben Krankheitserreger länger im Organismus, was sich ungünstig auswirken kann. Geht es darum, bei Durchfall einen dramatischen Wasserverlust rasch zu stoppen, kann Loperamid sehr nützlich sein, da es in der Regel tatsächlich schneller und stärker wirkt als die pflanzlichen Mittel. Wie im Beitrag erwähnt, haben aber auch die pflanzlichen Mittel ihre Stärken.

Zu den konkreten Empfehlungen des Reisemediziners habe ich allerdings schon noch ein paar Fragezeichen:

– Tannin gehört zu den Gerbstoffen und diese sind in der Phytotherapie die wichtigste Wirkstoffgruppe gegen Durchfall / Reisedurchfall.

Tannin entfaltet seine Gerbstoff-Wirkung schnell und schon weit oben im Verdauungstrakt, kann dadurch den Magen reizen und wirkt in tieferen Abschnitten oft nur noch ungenügend. Geeigneter als Tannin wäre meines Erachtens Tormentillwurzel (Blutwurz) als Tormentillwurzeltinktur oder Tormentillwurzelpulver. Tormentill / Blutwurz setzt ihre Gerbstoffe langsamer frei („Depot-Wirkung“), ist dadurch magenverträglicher und wirkt auch in tieferen Darmabschnitten.

– Ethacridin wird als pflanzlich empfohlen, ist es aber nicht! Diese Empfehlung ist irritierend. Ethacridin wirkt antibakteriell und hat nach „Pharmawiki“ folgende Anwendungsbereiche:

„ Lokale Behandlung von Infektionen und Entzündungen im Bereich von Mund- und Rachenhöhle wie z.B. Pharyngitis, Stomatitis, Aphthen, Gingivitis und nach zahnärztlichen Eingriffen Urologische Spüllösung für Blasenspülungen (z.B. bei Dauerkatheterträgern).“

(Quelle: www.pharmawiki.ch)

Und Wikipedia:

„ Ethacridinlactat, auch bekannt unter dem Handelsnamen Rivanol® der Dermapharm, ist ein Antiseptikum aus der Reihe der Acridine, dessen antibakterielle Wirkung seit 1913 bekannt ist. Es ist das Salz der Base Ethacridin mit Milchsäure. Typisch für Ethacridinlactat ist seine gelbe Farbe und die Eigenschaft Gegenstände und Haut gelb zu färben.“

Möglicherweise ist der Artikel versteckte Werbung für das Präparat „Tannacomp®“, eine Kombination von Tanninalbuminat und Ethacridinlactat. Tanninalbuminat ist Tannin gebunden an Eiweiss (Albuminat). Das Albuminat verbessert die Verträglichkeit des Tannins und verzögert die Entfaltung der Gerbwirkung. Das reduziert die oben beschriebenen Nachteile von Tannin.

Zu Ethacridin steht auf der Website des Herstellers: „Der zweite Wirkstoff Ethacridin bekämpft die schädlichen Bakterien und hat gleichzeitig desinfizierende sowie krampflösende Eigenschaften.“

Über den Sinn und Zweck dieser Kombination und speziell von Ethacridin will ich hier kein Urteil abgeben. Ethacridin zu den pflanzlichen Mitteln zu zählen ist aber eine Fehlinformation.

Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde

Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz

Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Kräuterexkursionen in den Bergen / Heilkräuterkurse

www.phytotherapie-seminare.ch

Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Psychiatrische Klinik, Palliative Care, Spital

Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege: www.ig-pp.ch

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