Phytotherapie bzw. Pflanzenheilkunde hat eine lange Tradition bei Erkrankungen und Beschwerden im Bereich Herz-Kreislauf. Hier eine überarbeitete und gekürzte Zusammenstellung aus der Universität Duisburg-Essen mit den wichtigsten Heilpflanzen für Funktionelle Herzbeschwerden, Bluthochdruck, Herzschwäche, Arteriosklerose-Prophylaxe und Venenerkrankungen.

Funktionelle Herzbeschwerden

Geeignet ist die Anwendung von Heilpflanzen als Tee oder in Verbindung mit hydrotherapeutischen Maßnahmen (Teilbad, Dreiviertelbad – nicht zu heiß).
Bewährt haben sich
– Weißdorn (Crataegus monogyna, Crataegus oxyacantha)
– Herzgespannkraut (Leonurus cardiaca)
– Melissenblätter (Zitronenmelisse, Melissa officinalis)
– Rosmarin (bei niederem Blutdruck, Hypotonie, Rosmarinus officinalis)
– Besenginster (Sarothamnus scoparius, syn. Cytisus scoparius)

Arterielle Hypertonie (Bluthochdruck)

Schlangenwurz (Rauwolfia serpentina) in freier Rezeptur ist heute nicht mehr gebräuchlich wegen der bekannten Neben- und Wechselwirkungen der Rauwolfia-Alkaloide.

Heilpflanzen mit erfahrungsmedizinischem Ansatz sind
– Arnika (Arnica montana)
– Mistelkraut (Viscum album; orale Anwendung – nicht vergleichbar mit den
Mistelzubereitungen in der Krebsbehandlung)
– Ölbaum (Olea europaea)
Knoblauch (Allium sativum) wirkt gefäßschützend und ist daher bei Hypertonie
geeignet, um eine Arteriosklerose zu bremsen, senkt jedoch auch selbst den Blutdruck bei
ausreichend hoher Dosierung. Allerdings sind die durch Phytotherapeutika zu
erreichenden Blutdrucksenkungen insgesamt schwach.

Beginnende chronische Herzinsuffizienz (Herzschwäche)

Evidenzbasiert:
– Weißdorn (Crataegus monogyna und Crataegus oxyacantha)

Erfahrungsmedizin:
Mit dem Digitalis verwandte Alkaloide ähnlich kleiner therapeutischer Breite sind
enthalten in
– Adonisröschen (Adonis vernalis)
– Maiglöckchen (Convallaria majalis)
– Meerzwiebel (Scilla maritima)
– Oleander (Nerium oleander)
– Zahnstocherkraut (Ammi visnaga, Bischofskraut, Khellakraut)
Entsprechende Präparate sind exakt zu dosieren.

Arteriosklerose-Prophylaxe

Knoblauch (Allium sativum) und Artischocke (Cynarae folium) wirken günstig auf
den Fettstoffwechsel, müssen aber regelmäßig eingenommen und ausreichend hoch dosiert werden. Außerdem reduziert Grüntee den LDL-Anteil des Cholesterins.

Venenbeschwerden

Bei chronisch venöser Insuffizienz bewähren sich Heilpflanzen mit antiexsudativer Wirkung,
die hauptsächlich innerlich angewandt werden sollten. Sie lindern Beschwerden wie
schwere, müde Beine und Schwellungen und sollten schon in frühen Stadien –
zusätzlich z.B. zur Kompression – eingesetzt werden.
– Rosskastaniensamen (Aesculus hippocastanum)
– Mäusedornwurzelstock (Ruscus aculeatus)
– Buchweizenkraut (Fagopyrum esculentum)
– Steinkleekraut (Melilotus officinalis)

Quelle:
http://www.uni-due.de/naturheilkunde/de/uploads/8_Phytotherapie.pdf

Kommentar: Phytotherapie bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen – ein Überblick

Diese Übersicht der Universität Duisburg-Essen fasst die wirksamsten Heilpflanzen und Indikationen für den Bereich Herz-Kreislauferkrankungen im Grossen und Ganzen gut zusammen, auch wenn sie natürlich nicht vollständig ist und über einzelne Punkte immer diskutiert werden kann.
Ergänzt werden soll hier noch:
– Besenginster würde ich so generell nicht empfehlen. Die Unterlagen dazu sind nicht eindeutig genug.
– Schlangenwurz (Rauwolfia) ist heute tatsächlich nicht mehr gebräuchlich und wenn es noch angewendet werden soll, gehört es in die Hand eines Arztes oder einer Ärztin mit Erfahrung in der Anwendung dieser Heilpflanze.
– Hypertonie ist ein schwieriges Gebiet für die Phytotherapie. Arnika sollte meines Erachtens innerlich gar nicht eingesetzt werden. Auch Mistel und die Blätter des Ölbaumes sind gegen Bluthochdruck nicht überzeugend. Eine leichte blutdrucksenkende Wirkung dürfte dem Knoblauch zukommen und einer neueren Studie zufolge wohl auf der Karkade.
Zur Karkade siehe:

Karkade-Tee senkt systolischen Blutdruck um 13 mmHg

– Bei leichten Formen der Herzschwäche (Herzinsuffizienz) steht in der Phytotherapie Weissdorn sehr im Vordergrund.
Die als Verwandte des Digitalis erwähnten Adonisröschen, Meerzwiebel, Maiglöckchen, Oleander und Zahnstocherkraut sind heute überholt und wären zudem verschreibungspflichtig.

Ausserdem hat es hier in der Übersicht der Universität Duisburg-Essen zwei Irrtümer:
Adonisröschen, Meerzwiebel, Maiglöckchen, Oleander und Zahnstocherkraut enthalten keine Alkaloide, sondern mit den Digitalis-Wirkstoffen verwandte Glykoside.
Die Wirkstoffe im Zahnstockerkraut gehören ebenfalls nicht zu den Alkaloiden, sondern zu den Furanocumarinen (z. B. Khellin).
Und zudem: Zahnstocherkraut wurde nicht bei Herzschwäche eingesetzt, sondern gegen Angina pectoris. Extrakte aus dem Zahnstocherkraut gelten aber nicht mehr als sicher, seit es Hinweise gibt auf negative Nebenwirkungen wie pseudoallergische Reaktionen, Schlaflosigkeit und reversible Leberbeschwerden.

Abschliessend zu diesem Überblick der Universität Duisburg-Essen kann allerdings nicht genug betont werden, dass es nicht nur darauf ankommt, die richtige Heilpflanze für eine bestimmte Krankheit zu finden. Ebenso wichtig ist es, in welcher Form die Heilpflanze zur Anwendung kommt (z. B. Tee, verschiedene Varianten von Tinktur oder Extrakt).
Es ist nämlich eine ganze Anzahl von Heilpflanzen-Präparaten im Handel, von denen ausgesprochen fragwürdig ist, ob sie überhaupt eine Wirkung haben – neben fundierten Produkten, die es natürlich auch gibt.

Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde

Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz

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